Rechtliche Aspekte im Zusammenhang mit Wallet Service Provider

Potrait von Rechtsanwalt Simon Schnetzler

Autor:     Simon Schnetzler
Datum:   24. Oktober 2018

Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals im Newsletter 2018/2
von Legis Rechtsanwälte AG veröffentlicht.

Zusammenfassung

Die Aussonderung von Bitcoins im Konkurs lässt sich rechtfertigen, weil Bitcoins einerseits Gewahrsam und eine genügende Individualisierung zulassen. Vorausgesetzt ist natürlich, dass die Konkursverwaltung über die privaten Schlüssel verfügt und sie damit in der Lage ist, die Werte zu transferieren. Eine weitere Voraussetzung besteht darin, dass die Werte oder deren Bruchteile noch beim Verwahrer liegen und die gleichen Werte bzw. deren Bruchteile rückübertragen werden können. Bei Wallet Service Provider wird in den meisten Fällen allerdings keine Vereinbarung zu einer Verwahrung vorliegen, sondern lediglich die Rückgabe der gleichen vertretbaren Menge an verwalteten Bitcoins. Eine Aussonderung ist damit auf den engen Bereich beschränkt, wo die Rückgabe der identischen übertragenen Bitcoins bzw. deren Bruchteile vereinbart war und dies durch den Verwahrer effektiv auch möglich ist.

Zum Aufbewahren und zur Verwaltung von Kryptowährungen wie Bitcoins benötigt man ein Wallet. Der nachfolgende Artikel analysiert die rechtliche Seite von Wallets, insbesondere die Folgen eines Konkurses von Wallet Service Provider.

Bitcoin als Transaktion

Um die Funktionsweise eines Wallets zu verstehen, bedarf es zunächst einer Erklärung zur Funktionsweise von Bitcoins und ihrem zugrundeliegenden Konzept. Wie eine Münze können Bitcoins bzw. ihre Bruchteile über eine Kette von Berechtigen weitergegeben werden. Je nach Grösse müssen sie dabei entweder weiter aufgebrochen werden oder mit anderen bestehenden Bruchteilen zusammen übertragen werden, um einen bestimmten Zielbetrag zu erreichen. Bitcoins lassen sich mit Steinen vergleichen: Ihre kleinste Form ist ein Sandkorn bzw. bei Bitcoins ein Satoshi. Im Gegensatz zu Münzen richtet sich der Fokus bei Bitcoins allerdings auf die Transaktion und nicht auf den Münzgegenstand, der sich an einem bestimmten Ort befindet.

Zentral für das Verständnis der Transaktion ist dabei die Bitcoin Adresse. Werte werden in der Grundanwendung von einer Bitcoin-Adresse zu einer anderen Adresse übertragen. Für die Übertragung werden die Werte mit der Zieladresse verknüpft. Dies, indem die Werte mit dem öffentlichen Schlüssel, aus dem die Zieladresse generiert worden ist und der allen Anwendern bekannt ist, blockiert werden. Nur mit dem dazugehörigen privaten Schlüssel kann über diese Werte wieder verfügt werden, um sie an eine andere Adresse zu schicken (bzw. mit dem entsprechenden öffentlichen Schlüssel dieser Adresse zu blockieren). Wer den dazugehörigen privaten Schlüssel kennt, kann über den blockierten Wert verfügen. Wird der blockierte Wert nicht weiter übertragen, spricht man von einer «unspent transaction» (UTXO). Der Wert ist in diesem Falle zwar an eine Adresse gesandt bzw. mit dem entsprechenden öffentlichen Schlüssel blockiert worden, vom Inhaber des privaten Schlüssels aber noch nicht weiterübertragen worden. Es handelt sich hier um den Hauptanwendungsfall einer Transaktion, nach dem sogenannten Pay-to-Public-Key-Hash Script (P2PKH).

Formen von Wallets

Wallets sind Anwendungen, die dem Wallet-Nutzer die Verwaltung seiner Bitcoins ermöglichen. Klassische Wallets enthalten eine Sammlung der Schlüsselpaare öffentlicher/privater Schlüssel. Das Wallet sucht zur Ermittlung des Guthabens auf der Blockchain nach Adressen des Nutzers, auf denen sich die unspent transactions befinden und zeigt dem Nutzer die Summe dieser Werte als Guthaben an. Über sein Wallet kann der Nutzer dann auf die mit den öffentlichen Schlüsseln blockierten Werte zugreifen und mit dem dazugehörigen privaten Schlüssel über die Werte verfügen, indem er die Werte auf neue Adressen transferiert. Ein Papier, welches die beiden Schlüssel bildlich zeigt (als lange Zahlen-Nummern-Kombination oder als QR-Code), wird als Paper Wallet bezeichnet und stellt wohl die rudimentärste Form eines «Wallets» dar. Beim Paper Wallet lässt sich natürlich nicht ablesen, welche unspent transactions auf der Adresse lagern bzw. mit dem entsprechenden öffentlichen Schlüssel verknüpft sind.

Unter «Wallet» werden allerdings auch Services angeboten, welche zwar eine gewisse Verwaltung von Bitcoins erlauben, die aber keinen Zugriff auf die privaten Schlüssel dieser Bitcoins gewähren und einem Nutzer nur unter Mitwirkung des Wallet Service Providers die Verfügung über seine Guthaben erlauben (sog. custodial wallets). Ohne die Mitwirkung des Wallet Service Providers ist es absolut ausgeschlossen, über die Werte zu verfügen. Nur der Wallet Service Provider oder allenfalls sogar eine Drittperson kennen die privaten Schlüssel, welche die Verfügung über die Werte erst ermöglichen. In einem solchen Fall ist der Nutzer für die Verwaltung somit vollständig auf den Wallet Service Provider angewiesen. Wallet Service Provider bieten über ihre Plattformen häufig noch weit mehr und legen den Fokus auf Benutzerfreundlichkeit. Sie erlauben zum Beispiel den Erwerb von Kryptowährungen, den Tausch über Handelsplattformen oder schnelle und gebührenfreie «offline-transactions», durchgeführt lediglich in den Büchern des Anbieters.

Zwei bekannte Wallet Service Provider sind Coinbase und Freewallet. Coinbase vertreibt ihr Angebot in Europa über eine im englischen Handelsregister eingetragene Gesellschaft (Coinbase UK, Ltd). Bei Freewallet sind die überprüfbaren Angaben dagegen schon sehr spärlich. Die Website verweist lediglich auf eine «Wallet Services Limited» mit Adresse in Hongkong. Das Limited erhält damit nochmals einen ganz eigenen Gehalt, wenn man an die rechtliche Zugriffsmöglichkeit denkt. In der Schweiz sind – soweit ersichtlich – keine eigentlichen Verwahrer domiziliert. Anbieter wie beispielsweise Tauschbörsen setzen eine bestehende Adresse des Nutzers voraus oder ziehen für die Abwicklung ihrer Geschäfte ausländische Verwahrer bei.

Im Falle von Coinbase und Freewallet würde sich somit ein Konkurs nicht nach Schweizer Recht, sondern primär nach der entsprechenden ausländischen Rechtsordnung richten. Trotzdem stellt sich die Frage nach den Folgen einer Insolvenz eines Wallet Service Providers – mit Sitz in der Schweiz und unter Anwendung von Schweizer Recht – natürlich gleichermassen.

Konkurs eines Wallet Service Providers

Im Konkurs eines Wallet Service Providers stellt sich für den Nutzer eine zentrale Frage: Kann er im Liquidationsverfahren seine investierten Vermögenswerte herausverlangen (aussondern) oder erhält er nur eine Dividende an den hinterlegten Vermögenswerten? Der Weg zur Beantwortung dieser Frage führt in aller Regel immer über die Vorfrage, was denn Bitcoins rechtlich eigentlich sind.

Dazu lässt sich nüchtern festhalten: Die Rechtsnatur von Bitcoins ist noch nicht geklärt. Und dies trotz vereinten Kräften der Juristenschar, die dem Bitcoin – ähnlich einem Tresor – mit allen verfügbaren Gerätschaften zu Leibe rückte, um ihm damit den Garaus zu machen. Nichts half, weder Zession noch Tradition konnten den Bitcoin knacken. Bitcoins haben in der Tat eine seltsame Eigenschaft: Ihr Gewahrsam bzw. die Verfügung über sie lässt sich fast noch besser als bei Sachen kontrollieren, und wie Sachen lassen sie sich individualisieren, wie Forderungen sind sie aber unkörperlich und nicht greifbar. Sie vereinen sozusagen das Beste von beiden Welten und fallen rechtlich damit zwischen Stuhl und Bank. Weder Fisch noch Vogel, weder Sache noch Forderung.

Voraussetzungen zur Aussonderung

Für die Aussonderung braucht es nach klassischer Ansicht eine körperliche Sache, an der ein materielles Recht auf Herausgabe (wie z.B. der Eigentumstitel) besteht. Der Eigentümer kann sein Gut aus der Konkursmasse aussondern und so der Verwertung entziehen. Er hat den materiell-rechtlichen Titel Eigentum, und das Gut lässt sich in aller Regel genügend individualisieren. Bei der Verwahrung von Geld wird differenziert: Geld soll dann zurückgefordert werden können, wenn es noch individualisierbar und separierbar ist. Ist das nicht mehr möglich, ist das Eigentum daran infolge Vermischung untergegangen. Der Hinterleger hat nur noch eine «gewöhnliche» Forderung gegenüber dem Verwahrer ohne Eigentumstitel an den Geldmünzen. Die Notwendigkeit der Individualiserung gilt auch bei der Aussonderung von Geld im Treuhandverhältnis.

Die Möglichkeit eines Gewahrsams sowie der genügenden Individualisierung sind somit zentral für die Aussonderung. Diese Eigenschaften waren bislang aber nur bei körperlichen Gegenständen gegeben. Bitcoins sind zwar keine körperlichen Sachen, sie sind jedoch individualisierbar, ihre Position nachverfolgbar und es ist Gewahrsam an ihnen über den privaten Schlüssel möglich. Damit sollte für diese auch eine Aussonderung zugelassen werden. Das setzt immer voraus, dass die Konkursverwaltung effektiv über die Bitcoins verfügen kann, d.h. sie (alleine) hat Kenntnis der privaten Schlüssel des Schuldners oder war in der Lage, die Werte auf ihre Adresse zu übertragen. Nur dann ist im Übrigen eine Aussonderung überhaupt nötig. Wer den privaten Schlüssel zu einem Token wie Bitcoin hält, muss nicht aussondern.

Es dürfte – analog zur Situation bei einer Vermischung von Geld – vom Untergang des nachverfolgbaren Gewahrsams an Bitcoins dann gesprochen werden, wenn der Verwahrer die eingebrachten Bitcoins auf Dritte überträgt und danach nicht mehr in der Lage ist, diejenigen Bitcoins zurückzuübertragen, die ihm ursprünglich übertragen worden sind bzw. deren Spur sich zur ersten Überweisung an den Verwahrer zurückverfolgen lässt. Ist der Verwahrer dazu nicht in der Lage, und lässt sich die Herkunft nicht mehr zurückverfolgen, bleibt somit nur noch eine abstrakte Forderung des Hinterlegers auf Rückübertragung in Höhe der eingelegten Werte. Solange sich aber die hinterlegten Bitcoins oder deren Bruchteile auf den Adressen des Verwahrers befinden und dieser (alleine) die privaten Schlüssel zu den Werten hält, rechtfertigt sich eine Aussonderung. Die Verwaltung sollte in einem solchen Fall somit verpflichtet werden, die privaten Schlüssel herauszugeben.

Situation bei Wallet Service Provider

Die Aussonderung im Zusammenhang mit Wallet Service Provider ist damit auf den (relativ engen) Anwendungsbereich beschränkt, wo es die Intention und Vereinbarung der Parteien war, die Bitcoin sicher zu verwahren und die individuellen Bitcoins (bzw. deren rückverfolgbaren Bruchstücke) im Sinne einer Hinterlegung wieder zu retournieren.

Bei den Wallet Service Provider zeigt sich aber, dass diese nicht spezifische bzw. die effektiv einbezahlten Bitcoins zurückgeben und dies technisch vermutlich auch gar nicht könnten (z.B. weil sie aus Sicherheitsgründen die Werte auf ein Cold Wallet übertragen, losgelöst vom Netzwerk, und für die Transaktionen des Nutzers somit andere Werte verwenden müssen). Entsprechend wäre in einem solchen Fall die Zulassung einer Aussonderung nicht gerechtfertigt. Gleiches gilt auch dann, wenn schon von Anfang an die Vereinbarung bestanden hat, nur eine unspezifische Menge von Bitcoins zurückzuerstatten (irreguläre Hinterlegung). In beiden Fällen beschränkt sich der Anspruch diesfalls auf eine obligatorische Forderung zur Rückerstattung einer vertretbaren Menge an Bitcoins, und im Konkurs mithin auf eine Konkursdividende. Anders wäre es bei Banken, wo der Einlagenschutz greifen müsste. Auf eine bankenrechtliche Absonderung dürfte gegenwärtig eher nicht vertraut werden, insbesondere bei Verwahrungsketten, die ins Ausland führen.

Ergebnis

Wie so häufig am Ende einer rechtlichen Abhandlung über Blockchain lautet das Verdikt: Die Situation ist in vielen Bereichen noch unklar. Im Zusammenhang mit der Aussonderung bestehen widersprüchliche Meinungen in der Literatur, und auch Urteile sind nicht bekannt. Derzeit ist allerdings eine parlamentarische Initiative pendent, die verlangt, dass im Konkurs auch nicht-körperliche Vermögenswerte ausgesondert werden können (Parlamentarische Initiative Dobler).

Und schliesslich will der Bundesrat ‹die Arbeiten zur rechtlichen Qualifikation des Bitcoins› rasch vorantreiben, wie er in seinem Bericht zur Fintech-Vorlage meint. Es macht wenig Sinn, dem Fisch das Fliegen beizubringen und Bitcoins oder Tokens generell über klassische Institute wie Forderungen oder Sachen zu qualifizieren. Für die Klärung der Rechtsposition und Übertragung sollte man sich eng an die technische Realität halten. Besteht ein öffentlich einsehbares und unveränderbares Register wie die Bitcoin-Blockchain, ist es unnötig, zur Übertragung eine Verfügung wie die Zession heranzuziehen oder diese auf der Blockchain abzubilden. Das wäre vergleichbar mit einem Nilpferd, das versucht, in eine Katzenkiste zu sitzen. Es passt einfach nicht. In jedem Falle sollten Regelungen die besonderen Eigenschaften der zu regelnden Systeme berücksichtigen, sodass nur punktuelle Anpassungen nötig sind. Bis zur Klärung dieser Fragen durch den Gesetzgeber oder die Gerichte wird die Rechtsunsicherheit leider bestehen bleiben.